Zukunft des Tankstellenshops: Digitalisierung und neue Zielgruppen nutzen

Wie Technologie, RTD-Drinks und die Generation Z den Convenience-Markt verändern

Das Fachmagazin Tankstellen Welt berichtet über die Zukunft des Tankstellenshops und die digitale Transformation des Convenience-Geschäfts. Beim MCS Convenience Campus in Fulda wurden neue Strategien vorgestellt, die persönliche Beratung mit Technologie und innovativem Marketing verbinden. Besonders im Fokus: die Ansprache der Generation Z, das Potenzial von RTD-Drinks (Ready-to-Drink Cocktails) und smarte Store-Konzepte. Experten raten Tankstellenbetreibern, ihre Verkaufsflächen strategisch anzupassen und neue Impulsangebote zu schaffen, um Umsatzpotenziale besser zu nutzen.

Mensch-Maschine

Persönlicher Service kombiniert mit digitaler Technologie und Marketing-Power, dazu Produktinnovation und eine angemessene Preispolitik – das sind nur einige Faktoren, die das Shop-Geschäft der Tankstellen erfolgreich machen können. Experten mahnen die Branche auf dem MCS Convenience Campus in Fulda zum Handeln.

Die von Corona verursachte sechsjährige Lücke seit dem letzten MCS Convenience Campus in Präsenz füllte der Convenience-Spezialist aus dem baden-württembergischen Offenburg mit vielen Online-Veranstaltungen zu den verschiedensten Trends und Ideen für das Shop-Geschäft der Tankstellen hierzulande. Das kam gut an im Markt. Live und mit Menschen ist dann natürlich aber doch viel schöner, und so freute sich MCS-Geschäftsführer Torsten Eichinger über die dicht besetzten Reihen im Kongress- und Kulturzentrum Fulda, wo MCS im Oktober seinen Convenience Campus 2024 unter dem Motto „Chancen entdecken und Potenziale heben" veranstaltete: „Ich hoffe und bin überzeugt, dass für jede und jeden etwas dabei ist und Sie reichlich positive Posts unter #MCScampus absetzen." Und wem es nicht gefällt, die oder der verlinkt den Beitrag einfach mit einem anderen Hashtag, bemerkte Eichinger augenzwinkernd.

Nach der Begrüßung ging es sogleich in die Vollen. Eichinger eröffnete getreu dem Motto der Veranstaltung mit etlichen Beispielen, wo in Shop und Bistro überall Chancen liegen und Potenziale schlummern – die dann doch oft sträflich vernachlässigt werden, obwohl sie sich oft vergleichsweise leicht und meist mit viel Aussicht auf üppige Erträge heben ließen, führte Eichinger aus. Die TankstellenWelt berichtete bereits in der letzten Ausgabe 11/2024.

 

Überalterung an der Tankstelle? Die „Gen Z“ im Visier

Dass nur etwas mehr als die Hälfte der Tank-Kundinnen und -Kunden auch einen Shop-Einkauf tätigen, wenn sie vor Ort auf der Station sind, lässt sich positiv als sehr großes Potenzial für die Shop-Betreiberinnen und -Betreiber interpretieren. Eine andere Zahl mit mehrdeutiger Aussagekraft: Tatsächlich kommen 26 Prozent der Menschen ausschließlich für den Einkauf im Shop auf die Tankstelle – gut –, kaufen dann aber doch in großer Zahl (45 Prozent) meist nur Zigaretten oder Zeitungen – weniger gut.

Nachvollziehbar, dass da absatz-, umsatz- und ertragsmäßig mehr gehen sollte, allerdings nicht ohne Engagement. Schon mit den Raucherinnen und Rauchern ließe sich viel zusätzliches Geld verdienen, wenn absolute „In“-Produkte wie E-Shishas und E-Zigaretten deutlich größer und plakativer angeboten würden. Denn die Margen bei diesen „Next Generation Products“ sind außerordentlich gut. Außerdem bekommen die Stationäre mit solchen Angeboten ganz neue Kundengruppen in den Tankstellen-Shop, erläuterte Torsten Eichinger.

Das wären vor allem jüngere Menschen, die, wie MCS in einer eigenen „Generation Z“-Studie aus dem Jahr 2023 belegen konnte, immer mehr zur besonders zahlungskräftigen Kundengruppe werden, zudem offen für neue Trends und Produkte sind – diese sich aber noch viel zu selten „an der Tanke“ besorgen.

Tatsächlich nur 11 Prozent derjenigen, die klassische Convenience-Produkte – die sogenannten Fast Moving Consumer Goods – in den Tankstellen-Shops kaufen, sind ganz junge Erwachsene zwischen 18 und 29 Jahren. Und schaut man sich eine ganz prominente Produktgruppe aus dem Bereich gekühlte Getränke an – die Premix oder Ready-to-Drinks (RTD), also Alkohol-Softdrink-Mixe –, sieht es sogar noch düsterer aus. Diese Produkte werden an der Tankstelle nämlich fast ausschließlich von Menschen jenseits der 40 nachgefragt: „Freundlich formuliert, besitzen Tankstellen bei RTD-Shoppern unter 40 Jahren noch ein ganz besonderes Potenzial“, umschrieb es Sabine Schossmeier, Category Development Manager bei Diageo, einem der großen Hersteller von alkoholischen Getränken mit bekannten Marken wie Johnnie Walker, Baileys, Smirnoff oder Guinness.

Die Dose als neue Heimat

RTD, das ist ein Markt, der mit der Corona-Pandemie ordentlich zugelegt hat – „die Dose wurde im Lockdown zur neuen Heimat“ – und auch jetzt noch immer wächst. An der Tankstelle allerdings weniger als in anderen Handelskanälen, bemerkte Schossmeier. Dabei machen RTD für Tankstellen den relevantesten Anteil am Spirituosen-Verkauf aus: 42 Prozent. Ein Geschäft, das die Shop-Betreiberinnen und -Betreiber also „hegen und pflegen“ sollten, auch weil der/die RTD-Shopper/in in den meisten Fällen zudem den höchsten Restbon hat, also oft zusätzlich noch andere Produkte kauft, was sie/ihn zu einem „besonders wertigen Kunden“ für die Tankstellen macht.

Ihre Empfehlungen: Die Tankstelle hat bei den RTD die markenbewussten, preisunsensiblen „Premium-Shopper“, viele andere erreicht sie allerdings noch zu wenig. Deshalb sollte sowohl beim Pricing als auch im Sortiment (Handelsmarken) sowie in der Darreichung (Promotions) mehr getan werden. „Die Leute wollen ein buntes Angebot, mehr Sortenvielfalt, besondere Angebote zu bestimmten Saison-Höhepunkten wie Vatertag oder Silvester sowie günstige Alternativen“, unterstrich Schossmeier.

Bar to go – „Überdenken Sie Ihren Flächenschlüssel“

Überdies ist ihr das RTD-Angebot an den Tankstellen viel zu „männlich“. Warum nicht öfter mal ein Aperitif-Mix wie Lillet Berry, fragte sie: Hier eröffnet sich eine Kategorie mit dem derzeit größten Innovations-Push. Und der nächste Trend aus dieser Ecke steht bereits vor der Tür und heißt „Cocktail to go“. Diageo-Managerin Sabine Schossmeier legte sich in Fulda für ihre Produktgruppe mächtig ins Zeug und riet offensiv: Denken Sie über Ihren Flächenschlüssel nach, ersetzen Sie beispielsweise Zeitschriften durch mehr RTD und machen Sie Ihren Tankstellen-Shop zu einer „Bar to go“.

Impulskäufe auf niedrigem Niveau

Und wie sieht es bei den für die Tankstellen-Shops so wichtigen Impulskäufen aus? Auch die verharren derzeit eher auf niedrigem Niveau, merkte Reiner Graul, Geschäftsführer bei der Retail-Beratungsfirma Barmann & Gordon, an. Dieses Geschäft ist mit Corona eingebrochen „und irgendwie kommt die Branche hier nicht mehr so recht auf die Füße“. 2018 kauften noch 46 Prozent der Shop-Besucherinnen und -Besucher irgendeinen Snack oder eine Süßigkeit im Shop, obwohl sie eigentlich überhaupt nicht die Absicht dazu hatten. Jetzt sind es noch 22 Prozent Spontan-Shopper.

„2 für X“ ist alles andere als nix

Der Tipp des Daten-Experten: Mit „2 für X“-Angeboten arbeiten – „die Leute finden es gut, vor allem auch, weil es preislich attraktiv ist: aber nur zwei von drei Tankstellen tun es“ – und mehr Zweitplatzierungen aufbauen. Auch hier sagt mindestens jede/jeder Fünfte, sie oder er lasse sich dadurch zum Kauf animieren. Tatsächlich hat Graul in seinen Marktanalysen aber nur 8 Prozent der Tankstellen ausgemacht, die aktiv mit Zweitplatzierungen arbeiten.

Dass mit dem Impulsartikel Süßwaren im Tankstellen-Shop nach wie vor eine ganze Menge möglich ist, davon zeigten sich auf dem MCS Convenience Campus Patricia Frank und Tobias Prael von Mars überzeugt. Acht von zehn Warenkäufen in Tankstellen-Shops enthalten auch Süßwaren, wobei sich gerade Riegel sowie Kaugummi durch überdurchschnittliche Käuferreichweiten und Impulskaufquoten auszeichnen. Kaugummis erwirtschaften im Bereich Süßwaren/herzhafte Snacks 18 Prozent der Umsätze bei gerade einmal 4 Prozent besetzter Fläche. Bei Riegeln ist die Quote auch noch sehr überzeugend, mit 33 Prozent Umsatzanteil auf 22 Prozent Fläche.

Wer es also schafft, die Wahrnehmung für diese Produkte zu steigern – mit attraktiven Kassenzonen, Zweitplatzierungen sowie „2 für X“- und Bundle-Angeboten u.ä. –, steigert die Chance auf zusätzliche Erträge, sagte auch Category Development-Expertin Patricia Frank. Für sie ist zudem ein eigenes Regal mit gesunden Snacks ideal geeignet, den Shop zu „aktivieren“ – „so können Sie zeigen, dass der Tankstellen-Shop mehr ist als Coke and smoke.“ Drei Viertel der Kundinnen und Kunden kaufen zudem mehr, wenn gesunde Produkte an einem Ort konzentriert sind, zitiert sie aus eigenen Statistiken.

Alle zwei Tage eröffnet irgendwo ein Smart Store
Breiten Raum auf dem Convenience Campus von MCS nahmen die Diskussionen zum smarten Shoppen an und auf der Tankstelle ein. Convenience-Experte Christian Warning findet kaum etwas so wichtig wie eine gute, fachkundige Ansprache durch freundliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: „Neben dem Standort sind die Menschen unser großes Pfund.“ Dennoch weiß auch er, dass es sich lohnt, die Vorteile der Digitalisierung im Shop-Geschäft zu nutzen, etwa mit Order-Terminals: „Keiner ist so schlau wie der Algorithmus“, sagte Warning hinsichtlich der Produkte, die der Kundschaft für einen größtmöglichen Geschäftserfolg angeboten werden sollten, und berichtete von ersten Erfahrungen aus Circle K-Shops, die das bestätigten. Die Transaktionen erhöhten sich mit Self-Order-Terminals dort um etwa 40 Prozent, und die „Kunden-Abfertigung“ ist um den Faktor vier schneller.

Schlauer Algorithmus

Smartes Shopping könnte es an Tankstellen künftig aber auch in komplett unbemannten Containern geben. Getestet werden diese inzwischen gut 500-mal, „und alle zwei Tage kommt ein weiterer dazu“. Diese Tests laufen allerdings vorwiegend abseits der Tankstellen, erklärte Smart-Store-Experte Stephan Rüschen von der DHBW Heilbronn. Die Technologievielfalt ist groß: Self-Scanning dominiert mit rund 350 Anwendungen, aber auch andere Systeme würden erprobt: „Noch gibt es keinen klaren Verlierer“, ordnete Rüschen das breite Testing ein.

Großes Potenzial misst er Smart Stores im ländlichen Raum bei, wo die Nahversorgung über den LEH oft dünn ist. Auch leerstehende Gebäude – ehemalige Geschäfte etwa – böten sich an, zumal es hier, verglichen mit dem Aufstellen von Containern, leichter mit den Genehmigungen ist. Aber: Als „großes Damokles-Schwert“ schwebt die Sonntags-Öffnung über den Smart Stores. Außer in Hessen und Mecklenburg-Vorpommern, wo die Sonn- und Feiertagsgesetze eine 24/7-Öffnung zulassen, sind geöffnete Smart Stores sonn- und feiertags nur geduldet, und wie die Gerichte hier bei anhängigen Klagen entscheiden, ist für Rüschen völlig offen.