Getränke, AdBlue, Süßwaren: Warum sind einige Artikel zeitweise nicht lieferbar?

In letzter Zeit treten auf den Lieferscheinen „genullte“ Artikel womöglich häufiger auf, als es Convenience-Shops aus der Vergangenheit kannten. Denn die Umstände hierfür sind neu. Grund sind fast immer fragile Lieferketten. Wir zeigen Ihnen Hintergründe und Tipps, um gegenzusteuern. 

„Auch Supermärkte und Discounter sind von den weltweit gestörten Lieferketten betroffen“, hieß es bereits Anfang November in einer Überschrift von stern.de. „Es fehlen Getränke in Dosen, Filter für Zigaretten, Himbeeren und vieles mehr“, schrieb die Lebensmittel Zeitung. „Im Bereich Süßwaren können einige Produkte nur in geringeren Mengen produziert werden“, ist auf dem Nachrichtenportal T-Online zu lesen.

Dass aktuell einige Produkte zeitweise nicht lieferbar sind, hat auch mit der Pandemie zu tun. Denn 2020 trugen die vielen, weltweiten Lockdowns im Handel – und in Teilen ebenso in der Industrie – dazu bei, dass die Weltwirtschaft wie noch nie in den vergangenen Jahrzehnten einbrach: Um minus 3,1 Prozent ging das weltweite Bruttoinlandsprodukt zurück. Zum Vergleich: In der Wirtschaftskrise 2008/2009 lag es bei „nur“ minus 0,07 Prozent. Die schnell entwickelten Impfstoffe sorgten dann in 2021 für ein weltweites „Megawachstum“ von 5,9 Prozent (Prognose; Quellen: Statista/IMF). In einer vergleichsweise extrem kurzen Zeitspanne legen Nachfrage und Produktion also kräftig zu. 

Konsum statt Urlaub 

„Der beispiellose Anstieg der Ausgaben für Konsumgüter während des Aufschwungs resultierte zum Teil aus der Umlenkung von Einkommen, das aufgrund der pandemiebedingten Einschränkungen nicht in Dienstleistungen wie Tourismus und Restaurants fließen konnte“, erklären die Finanzspezialisten von Credit Suisse. „Hinzu kamen staatliche Stützungsmaßnahmen, die das verfügbare Einkommen trotz der Lohnausfälle anhoben.“ Überall also steigt die Nachfrage immens.

Aber was hat nun all das mit dem Kiosk- und Tankstellensortiment zu tun? Mehr, als man denkt. Beispiel Getränke: In Convenience-Stores ist die Dose deutlich beliebter als im Lebensmittelhandel. Schnell, gekühlt konsumieren, die Verpackung praktisch überall zurückgeben – das schätzen die Kunden unterwegs. Für die Dosen braucht es Aluminium und Magnesium. Aber: „Die Preise für Magnesium und Aluminium sind bereits exorbitant gestiegen. Die Versorgungslage ist schon heute extrem schwierig, mit der Gefahr, dass die Lage in den kommenden Monaten noch deutlich schwieriger wird“, zitiert das Manager-Magazin den Geschäftsführer des Verbandes Aluminium Deutschland. Die Wirtschaftsvereinigung Metalle weist darauf hin, dass „die chinesischen Ausfuhren heute 95 Prozent des Magnesiumbedarfs in Europa decken und damit eine fast vollständige Abhängigkeit besteht“ und befürchtet „massive Produktionsausfälle“ – denn China stellt laut Welt den Export ein. 

Coca-Cola spricht keine Verfügbarkeitsgarantie aus

Dieses Rohstoffproblem kommt inzwischen in der Branche an. Im Interview mit der Getränke Zeitung spricht Tilmann Rothhammer, Geschäftsführer Customer Service und Supply Chain bei Coca-Cola, von Herausforderungen bei Getränkedosen, „ausgelöst durch eine unerwartet hohe Nachfrage“. Man könne „nicht vollständig ausschließen, dass es aufgrund der angespannten Lieferketten und den Herausforderungen in der Logistik auch zukünftig vereinzelt zu kurzfristigen Einschränkungen bei der Warenverfügbarkeit von Dosen kommen wird“, gibt Rothhammer zu. Entspannter hingegen scheint die Situation bei Krombacher zu sein: „Dank unserer vorausschauenden Planung und gleichzeitig dynamischen Anpassung an die jeweils aktuellen Entwicklungen sind wir jedoch gut versorgt. Es bestehen derzeit keine Engpässe für unser Sortiment“, teilt die Brauerei auf MCS-Anfrage mit.

Stefan Rau, Geschäftsführer des Handelshaus Rau im bayerischen Pfarrkirchen, bleibt dennoch vorsichtig. „Eine so angespannte Situation habe ich noch nie erlebt. Liefersicherheit und Liefergrad sind aktuell Themen in allen Industriegesprächen.“ 

Übrigens nicht nur bei Getränkedosen. In Teilen Deutschlands ist der Zusatzstoff für Dieselfahrzeuge AdBlue praktisch ausverkauft. Das betrifft in der Branche insbesondere die vielen LKWs, die Ware von A nach B transportieren. Die Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ) beispielsweise berichtete Ende November, dass AdBlue in Hannover „in den meisten Baumärkten und an Tankstellen ausverkauft“ sei. „Unsere Bestellungen sind bei den Herstellern deutlich im Rückstand“, schließt sich Stefan Rau an. Die Ursache für das Problem sei allerdings nicht Corona, sondern der hohe Gaspreis, teilt die HAZ mit. 

Einschränkungen auch bei Süßwaren

Auch bei Süßem scheinen sich hier und da Lieferprobleme zu ergeben. „Die Bounty Riegel Produktion ist von einem partiellen Engpass in der Versorgung mit Kokosnüssen betroffen, der im Zusammenhang mit Taifunen im Herkunftsland (Philippinen) und den beispiellosen Herausforderungen in der globalen Kokosnuss-Lieferkette stehen“, so Hersteller Mars Wrigley auf MCS-Anfrage. „Wir sind bemüht, diese Situation zu lösen.“ Die Formulierung klingt tatsächlich nach einem Problem. Und zwar eines, welches noch eine Weile andauert. „Ich rechne frühestens im zweiten Halbjahr 2022 mit einer Normalisierung“, wagt Lebensmittelgroßhändler Stefan Rau eine Prognose. „Der Endverbraucher muss sich in den kommenden Monaten darauf einstellen, dass sein gewohntes Produkt hier und da nicht vorrätig ist.“

So sollten Convenience-Shops reagieren

Wie sollen sich Shopbetreiber jetzt verhalten? Tankstellenlieferant Stefan Rau empfiehlt seinen Kunden dringend, vorausschauender zu disponieren und zumindest bei Pflichtartikeln kleine Reserven aufzubauen. „Es geht nicht ums Hamstern, sondern darum, verkaufsfähig zu bleiben, wenn mal in einer Woche ein wichtiger Artikel nicht lieferbar ist.“ Ebenfalls wichtig sei, den Kunden vor Ort keine leeren Regale zu zeigen. „Das ist psychologisch unbedingt zu vermeiden – und auch nicht nötig. Es gibt ausreichend Ersatzartikel auf dem Markt, mit der jeder eine Lücke vorübergehend schließen kann.“

MCS-Category Manager Fabian Brüderle empfiehlt darüber hinaus, von einer wichtigen Marke mehrere Varianten im Programm zu haben. „Bei Energydrinks weichen die Kunden ungerne auf einen anderen Hersteller aus. Da sollte dann zumindest eine andere Geschmacksrichtung desselben Labels vorhanden sein“, lautet sein Tipp.

Stefan Rau sieht in der aktuellen Herausforderung allerdings auch eine Chance – und zwar für kleine und mittelständische Hersteller, auch solche, die direkt aus der Region kommen. Entsprechend erweitert der Lebensmittelgroßhändler aktuell seinen Ordersatz. Insbesondere in all jenen Sortimenten, in denen die Markenloyalität nicht so hoch ist wie bei Energydrinks.

Copyright: MCS und Axel Stefan Sonntag