Wie sich Tankstellen jetzt neu aufstellen müssen

Alternative Antriebstechnologien setzen sich zunehmend durch. E-Autofahrer brauchen zum Aufladen längst keine Tankstelle mehr. Auch die Digitalisierung trägt ihren Teil dazu bei, dass das Geschäftsmodell klassischer Stationen zunehmend ins Wanken gerät. Was tun? Der 5. Virtuelle Convenience Campus der MCS präsentierte Lösungen.

EnBW sucht E-Mobilität-Manager mit ausdrücklicher Erfahrung aus dem Tankstellengeschäft. Aldi und Lidl bieten ihren Kunden an hunderten von Filialen an, ihr Auto zu laden. Und für den Chef von VW ist E-Mobilität jetzt Kerngeschäftsfeld. „Wir sind mitten in einem Transformationsprozess“, fasst Torsten Eichinger, Geschäftsführer der MCS, zusammen. 

Ein Wandel, der die Tankstellenbetreiber mit vielen neuen Playern und Entwicklungen mittel- bis langfristig massiv betrifft. Um so mehr stellt sich für die Convenience-Shops die Frage: „Was bedeutet Elektromobilität für das Shopgeschäft“?

Genau dies war Thema des Virtuellen Convenience Campus‘, den die MCS jüngst für die ihr angeschlossenen Tankstellenlieferanten und mittelständische Mineralölgesellschaften veranstaltete. 

„In Norwegen, dem Musterland der E-Mobilität, finden inzwischen 90 Prozent aller Ladevorgänge zu Hause statt“, nennt Christian Warning, Geschäftsführer von The Retail Marketeers, die Fakten. Auch hierzulande stehen die Zeichen auf Wechsel: Laut einer Anfang 2021 in Deutschland erhobenen, repräsentativen Umfrage planen 59 Prozent der Befragten den Wechsel zu einem alternativen Antriebskonzept innerhalb der nächsten 36 Monate. „Nichts bleibt so, wie es ist“, attestiert er den Tankstellen dringenden Handlungsbedarf. „Doch die Chancen sind größer als die Risiken“, macht er zugleich Mut. 

Bestellen, zahlen, liefern – alles per App

Eine Entwicklung, auf die sich Peter Herm, Inhaber von mehr als 20 Tankstellen in Nordbaden und Nordbayern, bereits eingestellt hat. „Wir investieren viel, damit die Kunden die Ladezeit sinnvoll und hochwertig nutzen können. Das erwarten sie.“ Herm installierte bereits vor zwei Jahren die ersten Ladesäulen. In Kürze rüstet er vier weitere Stationen damit auf. „Wir beobachten, dass die Kunden während des Ladevorgangs im Convenience-Store verweilen. Alternativ kaufen Sie ein Heißgetränk, um dann im Wagen bewusst die eigene Privatsphäre, etwa für Telefonate, zu nutzen.“ Auf Sicht ist für den Mittelständler vorstellbar, auf der Ladesäule eine App zu bewerben, mit der Kunden direkt vom Wagen aus Snacks und Getränke ordern können, Bringservice inklusive.

Dieses Click & Collect-Modell sieht Christian Warning als einen wichtigen Baustein für das Tankstellen-Geschäftsmodell der Zukunft. „Sauberkeit, Sicherheit und Service lautet die Erfolgsformel. Das gilt mit Corona umso mehr. Kontaktlose Bestellvorgänge haben sich extrem schnell etabliert“, sagt er. 

„Im US-Onlinehandel brachten acht Monate Pandemie einen Digitalisierungsschub, wozu es normalerweise zehn Jahre gebraucht hätte. Wer jetzt immer noch nicht bereit ist, sich mit der Digitalisierung auseinanderzusetzen, wird aus dem Markt gekegelt.“

Aral ersetzt Kraftstoff- mit High-Tech-Ladesäulen

Selbst die großen Mineralölkonzerne nehmen sich dem Thema an. Aral hat jüngst eine Wuppertaler Station umgebaut und dabei klassische Kraftstoffzapfsäulen teilweise zugunsten von vier Ladeplätzen mit 300 Kilowatt-Säulen ersetzt. „Ultraschnelle Ladepunkte“, nennen sie die Bochumer, die bis Mitte 2021 mit mehr als 100 solchen Ladepunkten „der führende Anbieter von Elektromobilität an Tankstellen“ sein wollen. „Die entsprechende Akkutechnik vorausgesetzt, kann das Fahrzeug innerhalb von zehn Minuten Strom für eine Reichweite von bis zu 350 Kilometern laden“, verspricht Aral. Und: Es sei die erste Station europaweit, die Laden und Tanken unter einem gemeinsamen Dach anbiete, betont der Konzern. Die E-Auto-Kunden sollen also nicht mehr in die Ecke abgeschoben werden. 

Auch die Mittelständler bleiben am Ball. Neben Herm setzen sich weitere Mineralölgesellschaften mit der E-Mobilität auseinander. Die BK Benzin-Kontor AG, die in Südbayern 34 Tankstellen betreibt, hat bereits drei Ladesäulen in Betrieb. „Wir stellen fest, dass die Kunden sie überall nutzen – obwohl wir sie bewusst in sehr unterschiedlichen Gegenden installierten“, berichtet Geschäftsleiter Philipp Arner. „Selbst die in Berchtesgaden steht nicht still“, sagt er und zählt bis zu fünf Ladungen pro Tag – obwohl die Gemeinde von den Lockdowns massiv betroffen war bzw. ist und die Touristen ausblieben.

In diesem Jahr will BK mindestens vier weitere Ladesäulen in Betrieb nehmen – und plant hierfür jeweils ausreichend Platz ein. „Was wir nicht wollen, ist das die Fahrzeuge die Zufahrten verhindern oder sich die Fahrer gestört fühlen“, erklärt Arner die Strategie.

Mobiles Arbeiten in der Tankstelle

Parallel dazu gelte es, den Shop mitsamt Bistro und Verweilzone aufzurüsten. „Da muss man komplett neu denken“, blickt Christian Warning in die Zukunft. „Mobiles Arbeiten hat sich dank Corona etabliert. Tankstellen, die flächendeckendes WLAN und kleine Meetingräume oder abgeschirmte Boxen für Telefon- und Videokonferenzen anbieten, sind da im Vorteil“, ist er sich sicher. Doch klar sei auch: Der Mitbewerber ist nicht mehr die wenige hundert Meter weiter entfernt gelegene Station, sondern Discounter, Supermärkte, Bäcker und „Food-to-go“-Anbieter. „Was also spricht dagegen, etwa eine Pizzastation von Dominos in das Shopkonzept zu integrieren?“ Dass sich Peter Herm mit Frische- und Weinwelt bereits erfolgreich profiliert, ist also wohl kein Zufall.

„Elektroautomobilisten sind tendenziell technikaffin“, weiß Christoph Harten, Vertriebsleiter beim Tankstellenlieferanten und MCS-Partner Bartels-Langness. Deshalb müsse man Tankstellensortimente auch in Apps denken. „Jeder nutzt sie, um die nächstgelegene Ladestation zu finden. Ein Hinweis oder die direkte Verlinkung auf das Shop- und Bistrosortiment sind unerlässlich“, lautet sein Rat.

Auch an den Ladesäulen selbst sollten Betreiber Verkaufsimpulse setzen – etwa mit Digital Signage. MCS bietet bereits kostenlose Zapf- und Ladesäulenvideos an, die dem Kunden Lust auf das Snack- und Getränkeangebot machen.

Wichtig: „Lifestyle-Angebote für die Unter-35-Jährigen, wie etwa die im Netz von Influencern gepushten Trendgetränke und Snacks gehören zum Zukunftssortiment eines modernen Convenience-Shops“, betont Harten.

Beispielhaft nennt er die Eistees der Marke „BraTee“, die der Rapper Capital Bra im Netz vermarktet. „Wer kleine E-Flitzer fährt, begeistert sich vor allem für solch ,hippe‘ Produktinnovationen im Tankstellensortiment.“ Die MCS-Kunden sind da im Vorteil, Innovationen wie diese schnell in deren Ordersätzen verfügbar.

Wer zu lange wartet, verliert

Entscheidend für BK Benzin-Kontor AG-Geschäftsleiter Philipp Arner ist es, die „E-Investitionen“ nicht mehr auf die lange Bank zu schieben. „Für Genehmigung und Stromanschluss muss man viel Zeit einkalkulieren, ebenso für einen etwaigen Umbau des Geländes. Wer zu spät beginnt, gerät ins Hintertreffen.“ So hat BK beispielsweise eine Station mit einem zweiten Eingang ausgestattet, damit die parkenden Lade-Kunden möglichst schnell und unkompliziert in den Shop können. Für Christian Warning geht das in die richtige Richtung: „Unser Ziel muss sein, den Standort Tankstelle als positiv und relevant beim Endverbraucher zu verankern.“

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