Haferriegel schlägt Energydrink im Reagenzglas

Convenience-Experte Reiner Graul über die Trends der vergangenen 25 Jahre - und worauf Shopbetreiber achten sollten, um künftig erfolgreich zu bleiben.

Innovative Verpackungen, ungewöhnliche Geschmacksvariationen, skurrile Ideen – Reiner Graul hat in den vergangenen Jahrzehnten viele Trends in Tankstellen und Convenience-Stores erlebt und dabei auch das ein oder andere Produkt schnell wieder aus den Regalen verschwinden sehen. Graul ist geschäftsführender Gesellschafter bei Bormann & Gordon, einem der führenden Unternehmen für den Bereich POSResearch. Seit 1999 ist der Convenience-Experte in der Branche aktiv und verantwortet dabei neben Shopper-Tests die Konsumentenbefragung „Shopper Monitor Tankstelle“.

 

VOM FILTERKAFFEE ZUR KAFFEESPEZIALITÄT

Im Rückblick hat für den Fachmann insbesondere der Megatrend Mobilität in Verbindung mit Außer-Haus-Konsum für eine positive Weiterentwicklung – auch in Convenience-Stores – gesorgt. „Manche erinnern sich vielleicht noch an die Rindswurst im Kocher und den Filterkaffee aus den Anfängen. Hier hat die Branche viel geleistet. Aus meiner Sicht war die stärkste Trendentwicklung die Erweiterung des Backshop-Angebots auf leckere Kaffeespezialitäten und Snacks, die sich inzwischen recht gut etabliert haben“, sagt Graul. Dabei ist das Sortiment nicht mehr nur für mobile Berufstätige für die Unterwegsversorgung relevant, sondern zunehmend für die Shopper 50plus. Sie sind zwar weniger mobil, dafür aber in der Regel finanzstark, sodass für sie die etwas teureren Preise an den Tankstelle meist kein Problem sind, zumal die Tankstellen hier ein gutes Preisimage versus Gastro erzielen. Neben der wachsenden Bedeutung des Backshops gab es in den vergangenen 25 Jahren natürlich viele Trends und Entwicklungen innerhalb der einzelnen Sortimente. Dazu gehört unter anderem die Erfolgsgeschichte der Energydrinks, die sich im Getränkesortiment auf die Spitzenplätze bewegt haben. Aus diesem Segment stammt eine der skurrilsten, jedoch wenig erfolgreichen Produkteinführungen, an die sich Graul erinnern kann: ein Energydrink im Reagenzglas. Ebenfalls ein Flop war ein Test mit frisch geschnittenem Obst to go, obwohl es den zunehmenden Trend für gesunde Produkte bedient. „Wahrscheinlich hat man der Tankstelle dieses Sortiment als Verkaufsstätte noch nicht zugetraut“, mutmaßt Graul. Einer der Überraschungserfolge war für Graul dagegen ein gesunder Haferriegel, der sich trotz des hohen Preises sehr gut verkaufte. Insgesamt sieht der Convenience-Experte auch vegetarische und vegane Produkte insbesondere bei der jüngeren und weiblichen Zielgruppe im Kommen. „Diese Sortimente sind noch recht neu und werden auf absehbare Zeit wohl eine Nische bleiben. Sie sollten aber trotzdem bedient werden, damit die Zielgruppe nicht zu anderen Verkaufsstätten abwandert“, rät Graul. Die sehr neue Kategorie Influencer-Produkte beobachtet er mit Neugierde. „Es sind interessante Konzepte und clevere Marketingideen mit einer starken Social-Media-Aktivierung“, lautet Grauls Einschätzung. Die Herausforderung des Betreibers liege darin, den Trend zwar mitzugehen, wenn die entsprechende Zielgruppe an dem Standort relevant ist, aber gleichzeitig Probleme mit Restanten zu vermeiden.

 

ERFOLGSFAKTOREN MARKE, VERPACKUNG, PREIS

Doch was hat ein Produkt in Tankstellen und Convenience-Stores in den vergangenen 25 Jahren eigentlich erfolgreich gemacht? Für Graul ist es immer ein Zusammenspiel aus verschiedenen Faktoren. Dazu gehört die Marke, für die es im Convenience-Bereich eine stärkere Präferenz gibt.

„Marken geben als Absender für Produkte das notwendige Vertrauen. Das gilt zudem für Innovationen, die sich deutlich leichter etablieren lassen wenn eine starke Dachmarke dahinter steht“, erklärt Graul. Ebenfalls wichtig sei die Verpackung, sowohl hinsichtlich der Impulswirkung durch die Gestaltung als auch funktional, um dem Unterwegscharakter der meisten Verzehranlässe Rechnung zu tragen. Als dritten Faktor nennt der Experte den Preis, der im C-Bereich natürlich höher als im klassischen LEH ist. Grundsätzlich sollten Betreiber Preisschwellen und -elastizitäten beachten, damit die Preis-Leistungs-Ratio für den Shopper in seiner Kaufsituation angemessen und nachvollziehbar ist. Ein interessantes Ergebnis über eine junge Entwicklung in Tankstellen liefert übrigens der gerade fertiggestellte „Shopper Monitor Tankstelle“: Während über Jahre hinweg das Impulskaufverhalten bei Getränken und Süßwaren gestiegen ist, griffen seit Beginn der Corona-Pandemie deutlich weniger Shopper spontan bei diesen Sortimenten zu. Ein Grund dafür könnte sein, dass sich die Kunden nur noch möglichst kurz in Innenräumen aufhalten wollten und daher gezielter einkaufen. „Diese Entwicklung hat sich leider noch nicht umgekehrt. Shopbetreiber können beispielsweise durch besonders aufmerksamkeitsstarke Aktionen die Impulskäufer wieder anregen und neue Zielgruppen ansprechen“, betont Graul. 

E-MOBILITÄT VERÄNDERT DEN AUSSER-HAUS-MARKT

Einen Ausblick darauf, wie Convenience 2047 aussehen wird, will der Experte nicht wagen. Aber: Schon für die kommenden Jahre prognostiziert Graul deutliche Veränderungen. „Es besteht die Gefahr, dass die Tankstelle durch die Elektromobilität als wichtigster Convenience-Kanal an Bedeutung verliert. Die große Herausforderung wird sein, die Frequenz durch ein attraktives und hochwertiges Angebot sowie ein helles und freundliches Ambiente hochzuhalten, um sich gegen den starken Wettbewerb aus LEH und Bäckereien zu behaupten. Dann wird die Tankstelle weiterhin eine relevante Unterwegseinkaufsstätte bleiben“, betont Graul.